Ich habe einmal von einem alten Osterbrauch gelesen. Da laufen am Ostersonntagmorgen, wenn die Kirchenglocken läuten, die Leute beim Dorfbrunnen zusammen. Dort waschen sie sich mit dem klaren Brunnenwasser die Augen. Es ist der Ausdruck einer Bitte um neue Augen, nicht um neue leibliche Augen, sondern um ein neues Sehen mit dem Herzen, um einen neuen Blick, um eine neue Einsicht, um eine neue Sichtweise.
Ein Mensch, der an die Auferstehung glauben kann - ein österlicher Mensch also - sieht alles in einem ganz neuen, in einem anderen Licht. Einem Menschen, der an die Auferstehung glauben kann, gehen die Augen auf.
Er sieht Gott neu: er sieht ihn als den unendlich Liebenden, den grenzenlos Barmherzigen, vor dem ich mich nicht fürchten muss, sondern zu dem ich mit meinen Ängsten und Sorgen kommen kann; ein österlicher Mensch erkennt Gott als den, der niemanden in den Tod fallen lässt, sondern der das Leben verwandelt und neu macht.
Osteraugen sind Augen neuer Hoffnung und neuer Freude. Aus ihnen ist Schwermut und Angst, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung heraus gespült. Osteraugen sehen weiter als nur bis zum nächsten Horizont. Sie erblicken durch das Dunkel des Karfreitags das Licht des Ostermorgens. Sie ahnen mitten in der schwärzesten Nacht den Aufgang der Sonne.
Wer an die Auferstehung glaubt, braucht keine Angst vor dem Leben zu haben, braucht vor Leid und Tod nicht zu verzweifeln. Osteraugen sehen an den Grenzen des Lebens den Neubeginn. Ihr Blick geht über alles Irdische hinaus in die Ewigkeit.Ostern öffnet mir die Augen für einen neuen Glauben: Ich glaube an die Auferstehung. Ich glaube an das Leben. Ich glaube an die Vergebung meiner Sünden. Ich glaube an die Liebe als die größte Macht, die alle Menschen und die ganze Welt trägt und zusammenhält. Ich glaube an Gott, der Liebe ist.